Václav Smyčka, Ph.D.

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Die Abschiebung/Vertreibung
in den tschechischen und deutschen Erinnerungskulturen
 

Václav Smyčka

Seit dem Kriegsende und der Abschiebung/Vertreibung der knapp drei Milionen Menschen der deutschsprachigen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei sind bald 70 Jahre vergangen, also die Zeit, die die Erfahrung dreier Generationen voneinander trennt. Dieser unauffällige generationelle Wechsel der Bevölkerung hat weitläufige Folgen für die Art und Weise, wie an die Ereignisse erinnert wird. Die authentische, auch wenn oft deutlich instrumentalisierte Erfahrung verschwindet mit der Generation der Augenzeugen und an ihre Stelle tritt endgültig eine Erinnerung, die nur durch verschiedenste Medien vermittelt wird. Wir befinden uns heute inmitten dieses Übergangs von dem überwiegend kommunikativen Gedächtnis (das potentiell in der Familie und unter Bekannten kommuniziert werden kann) zum kulturellen Gedächtnis. Die Schlüsselrolle spielen dabei Literatur und Film sowie andere Quellen des historischen Wissens – traditionelle Publizistik und neue Medien.

Das Projekt untersucht, wie die Abschiebung/Vertreibung in der tschechischen und deutschen Erinnerungskultur nach dem Jahre 2000 medial thematisiert wird. Im Zentrum meines Interesses stehen vor allem die literarischen Repräsentationen, ich konzentriere mich aber auch auf Film, traditionelle Publizistik und neue Medien (Blogs und Wikipedia) sowie auf die engagierte bildende Kunst. Ich stelle mir die Fragen: Wie wird die Erinnerung an die Kriegs- und Nachkriegsereignisse stabilisiert? In welcher Beziehung stehen die einzelnen Medien der Erinnerungskultur zueinander und durch welche Dynamik sind diese Beziehungen geprägt? Wie wird die Darstellung der Vergangenheit in den Medien ausgehandelt? Welche „Ökonomien“ der Repräsentation – des Vergessens und Erinnerns – herrschen in den einzelnen Medien? Ich versuche schließlich, die Beziehung der traditionellen kommemorativen Diskurse und neuer Strategien, die man unter dem Begriff „politic of regret“ (Jeffrey K. Olick) fassen kann, zu thematisieren. Im Hintergrund der Untersuchungen steht so die Frage nach der „Gerechtigkeit“ des Erinnerns und die kritische Hinterfragung der Konzepte des „dialogischen Erinnerns“ (Aleida Assmann, Claus Leggewie).