Milan Tvrdík (Prag): Zionisten gegen Assimilierte. Erweiterungsversuche des Prager jüdischen Kulturraumes und das Phänomen des Zionismus am Beispiel der Sammelschrift „Das jüdische Prag“

Milan Tvrdík © Kurt Krolop Forschungsstelle

Milan Tvrdík © Kurt Krolop Forschungsstelle

Zur Verstärkung der Integration der Juden in die böhmische Gesellschaft sollten nach Absichten der jüdischen Assimilierten Gedanken des ethischen Judaismus beitragen, wie sie der Berliner Philosophie-Professor Moritz Lazarus in Anlehnung an die böhmische (Hus) und deutsche (Luther) Reformation in seinem Werk „Ethik des Judentums“ formulierte. An der kulturellen Transformation des Judentums in Prag und Böhmen gewann aber infolge der nationalistischen tschechisch-deutschen Ausschreitungen größeres Ausmaß der Gedanke an selbstständiges Bewusstsein der Juden und ihre Absonderung vom tschechischen und deutschen nationalen Lager. Der „Verrat“ des Liberalismus brachte die neue Generation der jüdischen Intellektuellen unter das Banner des sich aus Wien und Berlin ausweitenden Zionismus und beeinflusste das Prager kulturelle Leben der Zeit entscheidend. Der Beitrag möchte sich mit der Rolle der führenden böhmischen Persönlichkeiten (Herrmann, Brod, Bergmann) und Organisationen (Maccabäa, Verein der jüdischen Hochschüler, Bar Kochba, Selbstwehr) in diesem Diskurs beschäftigen, die Aufmerksamkeit wird den Einflüssen aus Wien (Herzl, Schnitzler, Salten) oder aus Deutschland (Buber) gewidmet. Die relativ starke Präsenz des Zionismus im Prager politischen und kulturellen Leben vor hundert Jahren stellt die Frage, auf die eine Antwort im Beitrag gesucht wird, inwieweit die damaligen hiesige kulturelle Landschaft fähig und willig war, diese neuen jüdischen Impulse aufzunehmen und diese auch umzuformen oder aufzuarbeiten.